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Historische Verantwortung
Gedenkstätte Ravensbrück, © KEYSTONE
Der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts hat die Bundesregierung von Anfang an eine besondere Priorität eingeräumt. Auch heute noch stellt sie sich dieser Aufgabe.
Bekenntnis der Bundesregierung zur deutschen Verantwortung für die Wiedergutmachung
Am 27. September 1951 bekannte sich Bundeskanzler Adenauer vor dem Deutschen Bundestag eindeutig zur historischen Verantwortung Deutschlands für die Wiedergutmachung.
„Die Bundesregierung und mit ihr die große Mehrheit des deutschen Volkes sind sich des unermesslichen Leides bewusst, das in der Zeit des Nationalsozialismus über die Juden in Deutschland und den besetzten Gebieten gebracht wurde. … Im Namen des deutschen Volkes sind unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten, sowohl hinsichtlich der individuellen Schäden, die Juden erlitten haben, als auch des jüdischen Eigentums, für das heute individuell Berechtigte nicht mehr vorhanden sind. ... Die Bundesregierung ist bereit, gemeinsam mit Vertretern des Judentums und des Staates Israel, der so viele heimatlose jüdische Flüchtlinge aufgenommen hat, eine Lösung des materiellen Wiedergutmachungsproblems herbeizuführen, um damit den Weg zur seelischen Bereinigung unendlichen Leides zu erleichtern.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte anlässlich eines Besuchs in Jerusalem im April 2007: „Nur indem mein Land, nur indem Deutschland seine immerwährende Verantwortung für diese schrecklichste Zeit und für die grausamsten Verbrechen in seiner Geschichte voll und ganz annimmt, können wir die Zukunft gestalten – nur so und nicht anders.“
Bundesdeutsche Entschädigungsgesetze
Bereits in den Jahren unmittelbar nach Kriegsende, noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949, erließen die Siegermächte in den westlichen Besatzungszonen rechtliche Bestimmungen über die Rückerstattung ehemals jüdischen und anderen vom NS-Regime entzogenen Vermögens wie auch über die Entschädigung NS-Verfolgter für Schäden an Leben, Freiheit, Körper und Gesundheit. Die Grundlinien dieser Gesetzgebung fanden Eingang in den Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen („Überleitungsvertrag“) und wurden wesentlich mit dem Bundesgesetz zur Entschädigung für Oper der nationalsozialistischen Verfolgung von 1956 (BEG) und dem Bundesrückerstattungsgesetz von 1957 (BRüG) umgesetzt.
Auf der Grundlage des BEG wurde Opfern nationalsozialistischer Verfolgung (aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung) eine Rente zugesprochen, um Schäden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, beruflichem oder wirtschaftlichem Fortkommen auszugleichen. Aufgrund des Bundesrückerstattungsgesetzes konnten Schadensersatzansprüche gegen das Deutsche Reich wegen entzogener Vermögensgegenstände geltend gemacht werden, soweit diese nicht bereits aufgrund der Alliierten-Gesetzgebung aufgefunden und zurückgegeben worden waren.
Im Jahre 2010 wurden noch etwa 29.000 BEG-Renten mit einem Gesamtbetrag von 350 Millionen Euro ausgezahlt (der zum großen Teil vom Bund, zu einem geringeren Teil von den Ländern getragen wird). Diese Renten werden bis zum Lebensende an die Betroffenen bzw. den überlebenden Ehegatten gezahlt.
Verständigung mit Israel
Den beiden großen Entschädigungsgesetzen des Bundes vorausgegangen war die Verständigung mit Israel. Mit dem im September 1952 in Luxemburg unterzeichneten Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel sagte Deutschland die Zahlung von 3 Milliarden DM als „globale Erstattung der entstandenen Eingliederungskosten für entwurzelte und mittellose jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und den ehemals unter deutscher Herrschaft stehenden Gebieten“ zu, allerdings wegen der damals noch bestehenden Devisenknappheit ausschließlich in Form von Warenlieferungen und Dienstleistungen über mehrere Jahre. Hinzu kam ein Betrag von 450 Millionen DM an die „Conference of Jewish Material Claims against Germany“ (JCC) zur Unterstützung, Eingliederung und Ansiedlung jüdischer Opfer der NS-Verfolgung außerhalb Israels.
Der Abschluss dieser Vereinbarung war seinerzeit in Israel hoch umstritten wegen der Frage, ob der Staat Israel bzw. die internationale jüdische Gemeinschaft überhaupt Geld von Deutschland annehmen solle.
Globalabkommen mit westlichen Staaten
In den Jahren 1959 bis 1964 schloss die Bundesrepublik Deutschland mit 12
westeuropäischen Staaten (in den 1990er Jahren auch mit den USA) sogenannte Globalentschädigungsabkommen. Die Vertragspartner erhielten von Deutschland jeweils einen Festbetrag (der von 400 Millionen DM für Frankreich über 115 Millionen DM für Griechenland bis zu 1 Millionen DM für Schweden reichte) zur Verteilung an „zugunsten der aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffenen Staatsangehörigen, die durch diese Verfolgungsmaßnahmen Freiheitsschäden oder Gesundheitsschädigungen erlitten haben, sowie besonders auch zugunsten der Hinterbliebenen der infolge dieser Verfolgungsmaßnahmen Umgekommenen“. Vorausgegangen war ein gemeinsamer politischer Vorstoß jener Länder, die sich nicht mit der Ausgrenzung der sogenannten „Westgeschädigten“ aus dem System des Bundesentschädigungsgesetzes abfinden wollten.
Das BEG knüpfte die Anspruchsberechtigung u.a. an einen „Territorialbezug“, d.h. an einen Wohnsitz des Antragsstellers innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches bis Kriegsende oder innerhalb der Bundesrepublik
Deutschland in den Nachkriegsjahren. Von der finanziellen Tragweite einer umfassenden Entschädigungsregelung abgesehen, waren hierfür auch rechtliche Erwägungen maßgeblich: Der Ausgleich von Kriegsschäden sollte, wie im Völkerrecht üblich, eventuellen Reparationszahlungen von Staat zu Staat vorbehalten bleiben, also im Verhältnis zu Ausländern nicht im Rahmen individueller Entschädigungsansprüche geregelt werden (Ausnahme Israel, als Staat erst 1948 gegründet und somit kein ehemaliger Kriegsgegner Deutschlands).
In den Globalabkommen wurde festgelegt, dass mit der verabredeten Geldzahlung „alle den Gegenstand dieses Vertrages bildenden Fragen im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu (dem anderen Staat) … abschließend geregelt“ seien.
Insgesamt hat die Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Entschädigung für NS-Unrecht ca. 68 Milliarden Euro erbracht (Stand: Ende 2010). Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium der Finanzen für das Thema Entschädigung von NS-Unrecht federführend zuständig.